Nomadland – Ein semifiktionaler Roadmovie, der seinesgleichen sucht

Nomadland – dieses mehrfach prämierte Ausnahmewerk der chinesischen Regiseurin Chloé Zhao, wählt leise Töne. Soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeiten werden dargestellt ohne lautes Aufbegehren, sondern personalisiert in der Geschichte der 60-jährigen Witwe Fern, die durch die USA zieht vom getakteten Saisonjob beim Amazon Packcenter zum nächsten kraftzehrenden Job bei der Zuckerrübenernte. Frances McDormand gewann, für die Darstellung dieser vielschichtigen Protagonistin, verdient den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Bereits 1997 erhielt sie diesen Preis für ihre Hauptrolle in Fargo.

An ihrer Seite sind mehrere besondere Charaktere zu sehen, die keine Fantasie besser ausdenken könnte, denn sie spielen sich selbst: Das sind neben dem durch seine YouTube Videos bekannten Aussteiger und Autor Bob Welles, die beiden Vanwellerinnen Linda May und Charlene Swankie. Ältere Ladys, die nicht unterkriegen sind, bei denen jede Falte eine Geschichte erzählt. Sie tauchen bereits in dem Sachbuch »Nomaden der Arbeit. Überleben in den USA im 20. Jahrhundert« von Jessica Bruder auf, das Chloé Zhao als Grundlage ihres Drehbuchs herangezogen hat. So gab es den von der Landkarte verschwundenen Bergarbeiterort Empire, in dem Fern mit ihrem Mann bis zur Schließung der Gipsmine arbeite, wirklich in Nebraska. Tatsachen und Fiktionen vermischen sich nahezu unbemerkt in diesem halbdokumentarischen Drama. 

Neben den bemerkenswerten Persönlichkeiten und ergreifenden Begebenheiten, spielt die Natur eine raumgreifende Rolle. Der Badlands Nationalpark mit seinen außergewöhnlichen Steinformationen, die grünen Landschaften, Flüße und ihre Bewohner. Im Kontrast dazu die Weite der Wüste, in der das Campnomaden-Treffen von Bob Welles, das Rubber Tramp Rendezvous (RTR) jedes Jahr stattfindet. Drehorte waren Nebraska, Kalifornien, South Dakota, Arizona und Nevada. Dazwischen philosophisch-religiöse Gespräche über das Leben und den Tod, die Wechselwirkungen zwischen Abhängigkeit und Freiheit, Familie und Einsamkeit. Dazu Hintergrundmusik, wie sie auch in einem Western laufen könnte, voll Sehnsucht, Lebensfreude und Wehmut.

Man sieht sich auf der Straße. Nomadland – ein Film der nachwirkt.