Influencer - Die Ideologie der Werbekörper

Buch von Ole Nymoen, Wolfgang M. Schmitt, Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, ISBN 9783518076408, kartoniert, 192 Seiten, 15,00 EUR

Influencer*innen sind die neuen Stars und Vorbilder für Millionen von Jugendlichen auf der Welt. Für viele nicht Digital Natives kamen sie nahezu aus dem Nichts, die Influencer*innen mit ihren Videos oder Storys auf Social Media, die von ihrem scheinbar alltäglichen Leben handeln.

Das Buch zeigt uns nun, dass Influencer*innen eine Fortführung einer Entwicklung sind, die schon im Kino der 90er Jahre begann. Schon zu der Zeit wurden offensichtliche Werbeunterbrechungen ersetzt durch Produktplatzierungen oder sogenannte Dauerwerbesendungen im Fernsehen. Auch die Ähnlichkeit der Influencer*innen mit Filmfiguren erfolgreicher Kinofilme aus dieser Zeit  wird thematisiert. Das ist ein neuer Blick auf das Thema, das sonst meist in Hinblick auf die Vorbildfunktion von Influencer*innen gesehen wird.

Verknüpft wird diese Analyse einer medialen Entwicklung mit viel kultur- und wirtschaftswissenschaftlicher Kritik, die sich dann in allzu vielen Zitaten wichtiger Akademiker*innen von Karl Marx bis Frank Schirrmacher äußert und auf die ich persönlich beim Lesen oft hätte verzichten können. Dazu kommt ein etwas herablassender Tonfall, der allerdings dazu beiträgt, dass das Buch trotz aller schwer verdaulichen Zitate, vergnüglich gelesen werden kann.  Es ist kein medienpädagogisches Buch. Die Autoren interessieren sich nur am Rande für die Medien selbst, für die Art der Mediennutzung und fast gar nicht für die Konsumenten und ihre Gründe dafür, sich die medialen Produkte der Influencer*innen dauerhaft anzuschauen. Aber das Buch analysiert sehr treffend die Entwicklung von der Produktplatzierung im Kinofilm hin zu den Videos der Influencer*innen, die zurecht als Dauerwerbesendung tituliert werden. Auch zeigt es klug, wie in diesem Berufsfeld Geschlechterstereotypen zementiert und gleichzeitig verändert werden, nur nicht hin zum Besseren. Beleuchtet werden auch die vermeintlich „guten“ Influencer*innen und ihre Beweggründe. Die vielen Möglichkeiten der Manipulation der Follower also Zuschauer*innen der Influencer*innen und wie geschickt diese eingesetzt werden. Zuletzt werden die Gründe für diese Art der Berufswahl und die Chance auf Erfolg herausgearbeitet.

Das Buch ist keine unvoreingenommene Analyse eines Medienphänomens und will das auch nicht sein. Es ist klar, dass die Autoren Influencer*innen nicht für wertvolle Mitglieder der medialen Welt halten, sondern eben für Werbekörper, die dem kapitalistischen System dienen. Aber die Einordnung dieses medialen Phänomens in größere gesellschaftliche und mediale Entwicklungen bietet neue Sichtweisen auf dieses Thema und erweitert durchaus den eigenen Horizont, auch wenn man sich vielleicht schon vorher mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Deshalb ist das Buch bei aller Kritik eine Bereicherung bei der Beschäftigung mit diesem Medienthema.

Andrea Hettler